Die SPD-Kreistagsfraktion hat mit großem Erstaunen von der Absicht des Landrates Kenntnis genommen, dass der Kreishaushalt 2003 nicht – wie seit vielen Jahren üblich – im Dezember des Vorjahres, sondern erst im März des bereits begonnenen Jahres 2003 verabschiedet werden soll.
Noch weniger Verständnis ist für die Absicht aufzubringen, eine offene Defizitausweisung in zweistelliger Millionenhöhe in Kauf zu nehmen. Die Rede ist im Eckdatenpapier des Landrates von einem Defizit in Höhe von 14 Millionen Euro. Im Juli war von den Bürgermeistern sogar der Betrag von 25 Millionen Euro Defizit zu hören. Peter Ralf Müller, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion: „Wir erwarten die Vorlage eines ausgeglichenen Haushaltes, so schmerzhaft die darauf gerichteten Bemühungen auch sein mögen.“
Jetzt räche sich, dass der Kreis nicht schon vor Jahren den Mahnungen der SPD gefolgt sei, die eigene Aufgaben- und Kostenstruktur einer eisernen Durchforstung zu unterziehen. Das Kleben an liebgewonnenen Verhaltensweisen und Spielwiesen mache nun am Rande des Abgrundes eine bittere Rosskur unausweichlich. Während sowohl die Städte und Gemeinden als auch das Land bereits an vielen Stellen unpopuläre Einsparungen durchsetzen mussten, habe sich der Kreis bisher ziemlich dreist daran vorbei gemogelt. Daher sei von den Bürgermeistern im Juli zurecht darüber Klage geführt worden, dass der Kreis Jahr für Jahr „auf Kosten der Kommunen“ einen ausgeglichenen Haushalt vorlege.
Die Sozialdemokraten, so Peter Ralf Müller, halten es auch für „äußerst unglücklich und verfehlt“, dass der Landrat gerade im Vorfeld der wohl schwierigsten Haushaltseinbringung seit Ende der 80er Jahre seinen qualifiziertesten Finanzbeamten, den Kreiskämmerer Karl Hans Ganseuer, als Interims-Geschäftsführer an die vom Meys-Skandal gebeutelte Rhein-Sieg-Abfallwirtschaftsgesellschaft RSAG “ausgeliehen“ hat. Hiergegen habe die SPD sowohl im Kreis als auch in der RSAG von Anfang an Bedenken geltend gemacht. „Auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen, grenzt schon an Unmöglichkeit, aber bei zwei gleichzeitigen Hochzeiten den Bräutigam darzustellen, – davon hat weder dieser Bräutigam (Karl Hans Ganseuer) etwas noch die beiden Bräute (der Rhein-Sieg-Kreis und die RSAG)“ so Pitt Müller.
Die Sozialdemokraten wollen auch Gerüchten nachgehen, wonach Landrat Kühn mit dem Gedanken spielt, im Frühjahr 2003 gleich einen Doppelhaushalt für 2003 und 2004 verabschieden zu lassen. Müller: „Dann würde das Defizit über zwei Jahre offen sprich ungelöst ausgewiesen, und der Realitätsschock wird die kreisangehörigen Städte und Gemeinden dann erst nach der Kreistags- und Landratswahl 2004 für den Haushalt 2005 ereilen. Hiergegen kündigen wir bereits vorsorglich energischen Widerstand an.“
Schaut man sich einzelne Positionen im Eckdatenpapier des Landrates genau an, so fällt auf, dass – wie schon seit vielen Jahren gewohnt – die Personalkosten im Rhein-Sieg-Kreis steigen. 3 % = 2 Mio Euro an erneuter Steigerung entsprechen nicht dem, was in Zeiten äußerster Finanzknappheit an Signal nach außen gegeben werden muss. Das gleiche gilt für die Sachkosten, die sogar um 8,9 Prozent steigen sollen. Müller: „Die Administration wird aufgebläht, die Gemeinden werden ausgesaugt – das ist nicht nur ein völlig falsches Rollenverständnis, sondern zudem im Hinblick auf wirtschaftliche Impulse mehr als kontraproduktiv.“ Als ein Beispiel für konzeptlose Verursachen von Kosten nennt der finanzpolitische SPD-Fraktionssprecher Sebastian Hartmann die fehlende Raumnutzungsplanung im Kreishaus. Sie führe jetzt zu plötzlichen Umbauarbeiten an der bisherigen Bücherei von rund 250.000 Euro, damit dort Sitzungssäle geschaffen werden können. Dabei ist in keinem Kreisgremium bisher über die Sinnfälligkeit dieser Maßnahme, ihre Folgewirkungen auf andere Räumlichkeiten und mögliche Alternativen zu dieser Lösung ein Beschluss herbei geführt worden.
Auch die Kosten für den ÖPNV steigen wieder. Nach Auskunft des Bornheimer SPD-Kreistagsabgeordneten Sebastian Hartmann wird sich die SPD–Fraktion die dafür ursächlichen Ausgabenpositionen einmal sehr präzise und mit kritischem Blick für Einsparungen ansehen. Das Problem dabei, so Hartmann, ist die teilweise mehrfache Verindirektung der politischen Kontrolle über Aufgaben und Kostenverursachung im ÖPNV.
So werden beispielsweise die Kosten der RSVG, die vom nicht öffentlich tagenden Aufsichtsrat verabschiedet werden, vom Rhein-Sieg-Kreis getragen. In den Ausgaben der RSVG sind aber auch die Kosten der RVK „eingelagert“. Deren Ausgabenkorsett wird von einem eigenen Aufsichtsrat wiederum in nicht öffentlicher Sitzung verabschiedet, in dem aber keine politischen Kontrolleure sitzen, sondern nur der hauptamtliche RSVG-Geschäftsführer. Wie nun Finanzpolitiker des Kreistages wie Hartmann oder der Finanzausschussvorsitzende Peter Ralf Müller Anlass, Zweck und Angemessenheit von Ausgaben kontrollieren sollen, die unter dem Siegel der Verschwiegenheit zweier Aufsichtsräte verborgen bleiben, ist zunächst noch ein Rätsel. Sebastian Hartmann:“ Es ist aber nicht mehr zu akzeptieren dass die Kosten immer weiter steigen, ohne dass wir oder die Kommunen die Plausibilität eigenverantwortlich nachprüfen können.“
Der weitere Anstieg der besonderen Kreisumlage für die Mehrkosten des Jugendamtes liegt zu einem großen Anteil an den steigenden Betriebskosten für Kindertageseinrichtungen. Dies ist politisch gewollt und liegt auch ursächlich in der Zuständigkeit des Rhein-Sieg-Kreises für diejenigen Städte und Gemeinden, die über kein eigenes Jugendamt verfügen. Zu dieser Verantwortung bekennt sich auch die SPD-Kreistagsfraktion, sie fordert jedoch zur Kompensation der gestiegenen Jugendamtskosten eine entsprechende Rückführung der allgemeinen Kreisumlage.
Und so schließt sich der Kreislauf: Der allgemeine Kreishaushalt ist bei fast allen Städten und Gemeinden mittlerweile der mit Abstand größte Haushaltsposten. Die Städte und Gemeinden wirtschaften, sparen und kasteien sich dafür , dass der Rhein-Sieg-Kreis sich selbst vor genau den Kasteiungen bewahrt. „Damit muss Schluss sein , der Kurswechsel ist längst überfällig!“