Entsetzen machte sich breit bei der Haushaltsklausur der SPD-Kreistagsfraktion auf dem Hennefer Steimelsberg. Entsetzen weniger wegen der dramatischen Haushalts-löcher, denn die gibt es auf Gemeinde- und Landesebene in den entsprechenden Dimensionen auch.
Nein, Entsetzen über die Ratlosigkeit und Sprachlosigkeit des Landrates, sobald es um die Frage nach Selbstkritik, Lösung, und nach Zukunft geht.
„Wie üblich wurde der immer noch selbstbewusst und großzügig bemessene Finanz-bedarf des Kreise aufaddiert und ins Soll gestellt“, erklärt Fraktionschef Peter Ralf Müller. Den Mut zu der daraus folgenden Erhöhung der Kreisumlage hatte Kühn al-lerdings nicht – es wäre ihm auch schlecht bekommen angesichts der kommunalen Haushaltsprobleme. Andere Finanzquellen sprudeln auch nicht so üppig wie benö-tigt. Statt aber dann – wie Kommunen und Land seit geraumer Zeit – selbstkritische, einschneidende und gar schmerzhafte Aufgaben- und Ausgabenreduzierungen auf den Weg zu bringen und durchzusetzen, weist der Landrat einfach ein ungedecktes Defizit in Höhe von 17,5 Millionen Euro aus. Und das ist nicht einmal die vollständige Wahrheit, denn Kühns Parteifreund – der Landesdirektor des Landschaftsverband Rheinland Udo Molsberger – wird Ende diesen Monats den Entwurf des LVR-Haushalts mit einer Umlageerhöhung von 1,6%Punkten einbringen, so seine Eckda-teninformation von Ende Oktober. Das bewirkt weitere 8,1 Millionen Euro Minus im Kreishaushalt.
Ein Teil der jetzt auf den Kreishaushalt einwirkenden Defizite – nämlich die Reduzie-rung der Landes-Schlüsselzuweisungen durch die aus dem Jahr 2001 resultierende Negativ-Abrechnung – sei sogar seit Sommer vorhersehbar gewesen. Andere Ge-bietskörperschaften ziehen in solchen Situationen, wenn plötzliche Haushaltseinbrü-che drohen, die Notbremse der Haushaltssperre und sparen locker die eine oder an-dere Million im letzten Quartal des Jahres ein. Nicht so der Landrat des Rhein-Sieg-Kreises. Er lässt sogar noch schnell für rund 500.000 Euro Sitzungssäle in seinem Kreishaus umbauen.
Beim Durchforsten der einzelnen Unterabschnitte und Haushaltsstellen machten die Sozialdemokraten interessante Entdeckungen.
Während andernorts die Personalkosten sinken oder zumindest eingefroren werden, sattelt Kühn in seinem Entwurf sogar noch um 1,8 Millionen Euro drauf. Wenn nicht, so der Landrat, müssten halt noch 30 freiwerdende Stellen nicht besetzt werden – aha, also geht es ja mit dem Einsparen, wenn man nur will.
Der sächliche Verwaltungs- und Betriebsaufwand, der schon in den vergangenen drei Haushaltsjahren um insgesamt 22,9 % sprich 6,6 Millionen Euro gestiegen war, soll um weitere 8,3 % sprich 2,9 Millionen Euro anwachsen. Als ginge der Rhein-Sieg-Kreis mit seinem Verwaltungs- und Betriebsaufwand völlig an der Realität aller anderen Gebietskörperschaften bzw. der Wirtschaft vorbei.
Die Pressestelle des Landrats, die in Sachen Haushalt auch noch wenig Kreatives zu vermelden hat, ist in Verbindung mit dem sonstigen „Stab“ des Landrats in einer un-verhältnismäßigen Überbesetzung, wenn man bedenkt, dass der Kreis im wesentli-chen gesetzlich vorgegebene Aufgaben zu erledigen hat und ansonsten eine Hilfs- und Ausgleichsfunktion gegenüber den Gemeinden erfüllt. Stattdessen setzt er seine seit Jahren zu beobachtende Fehlentwicklung fort und verselbständigt sich gerade auf Kosten der ihn tragenden kreisangehörigen Städte und Gemeinden.
Die SPD-Kreistagsfraktion nimmt auch Stellung zu den Schuldzuweisungen des Landrats gegenüber Bund und Land. Es treffe zwar durchaus zu, dass die Bundes-regierung unter 16 Jahren Kohl und unter 4 Jahren Schröder und auch die Landes-regierung mehr als einmal gesetzliche Änderungen auf den Weg gebracht haben, ohne die finanziellen Belastungen für die nachgeordneten Gebietskörperschaften zu bedenken oder sie gar auszugleichen. Diesbezügliche Anschuldigungen des Land-rats wirken aber unglaubwürdig und sind eine stumpfe Waffe in der Argumentation, wenn dieser gleichzeitig immer neue maßlose Forderungen an Land und Bund öf-fentlich verkündet.
Als jüngstes und in seiner Dimension kaum noch steigerbares Beispiel nennt die SPD die Forderung der CDU nach einer neuen Rheinbrücke bei Niederkassel, die als Landesstraße natürlich den Landeshaushalt viele Millionen schwer belasten würde. Auch die ständig wiederholte Forderung der CDU, viele neue Hortplätze aus der Landeskasse zu finanzieren, entpuppt sich als parteipolitische Schaumschlägerei vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das angeblich wirtschaftsstarke Bayern über-haupt nicht daran denkt, auch nur annähernd so viele Landesmittel in die Kindergar-ten- und Hortplatzförderung zu stecken, wie es das Land Nordrhein Westfalen seit Jahren tut.
Statt also neue und höhere Standards von anderen Gebietskörperschaften zu for-dern und deren Finanzknappheit zu beklagen, sollte sich der Landrat umgekehrt mit der Frage befassen, ob der Rhein-Sieg-Kreis weiterhin Standards aufrecht erhält, die sich seine kreisangehörigen Städte und Gemeinden in entsprechender Höhe nicht mehr leisten können. So müsse sich der Kreis fragen, ob er auf Kosten der Kommu-nen knapp 1 Million Euro für eigene Kulturpolitik ausgeben darf, wenn unter anderem dadurch den Gemeinden das nötige Geld für die Pflege ihrer örtlichen kulturellen I-dentität fehlt.
Angesichts der Tatsache, dass die CDU-Kreistagsmehrheit den Haushalt 2003 erst im März verabschieden will und sich bis dahin maßgebliche Orientierungsdaten noch verändern werden, legt die SPD zunächst noch keine Haushaltsstellen bezogene Änderungsliste vor. „Zunächst muss der Kurs in Richtung Aufgabenkritik, Selbstbe-scheidung und Verzichtsbereitschaft hin verändert werden.“
Und daher erneuern die Sozialdemokraten wiederum ihre – jüngst durch das erfolg-reiche Beispiel der Stadt Lohmar untermauerte – Forderung, die Aufgaben- und Kos-tenstruktur der Kreisverwaltung und ihre personelle Wahrnehmung durch ein unab-hängiges und behördenerfahrenes Beratungsunternehmen mit dem Ziel von Einspa-rungen durchleuchten zu lassen.
„Und der Landrat muss die volle Wahrheit in Bezug auf die Höhe der Kreisumlage aussprechen“, fordert Fraktionschef Peter Ralf Müller. „ Die offene Defizitauswei-sung, die nach dem kommunalen Haushaltsrecht erst in 2 Jahren – also nach der nächsten Landrats- und Kreistagswahl – ausgeglichen werden muss, rettet den Kreishaushalt nur buchmäßig. Die Kommunen haben aber einen Anspruch auf reale Planungsdaten vom Rhein-Sieg-Kreis, sonst sind auch ihre Haushalte, die von sehr viel höherem Verantwortungs- und Verzichtsbewusstsein getragen sind als der Kreishaushalt, nur auf Sand gebaut.“