„Die Bonner CDU muss ihre Hausaufgaben selber machen“

Seit die Bonner Drogenszene vom Bahnhofsbereich in den Hofgarten hinter der Universität abgewandert ist und dadurch quasi ins Licht der Öffentlichkeit rückte, erhitzen sich die Gemüter. Die einen denken über Stadtverbot und Zwangsgeld für Dealer und Junkies nach, die anderen monieren die angeblich mangelhafte Drogenarbeit der Nachbarkreise. Die SPD-Fraktion im Rhein-Sieg-Kreis hält die Reaktionen der CDU aus der Bundesstadt für völlig unangemessen.

In ein Wespennest stach die Bonner CDU-Fraktion, als ihr sozialpolitischer Sprecher Klaus Großkurth – einen Gedankengang der städtischen Sozialdezernentin Ulrike Kretzschmar aufgreifend – diese Woche behauptete, die Bundesstadt trage in unserer Region die Hauptlast der Drogenarbeit, während diese in den benachbarten Landkreisen nur „unterentwickelt“ stattfinde oder gar nicht vorhanden sei. Das Umland müsse „endlich eigene Drogenarbeit leisten“, die Landräte hätten „bisher geschlafen.“

Ob hier auch der Landrat des Rhein-Sieg-Kreises, Frithjof Kühn (CDU), angesprochen war? Die Vorsitzende des Sozialausschusses im Rat der Stadt Bonn, Barbara Ingenkamp (SPD), mahnt die CDU jedenfalls, endlich die Bedeutung regionaler Zusammenarbeit ernst zu nehmen – auch im eigenen Lager: „Wenn die CDU einmal mit ihrer Kreistagsfraktion in Siegburg sprechen würde, kämen wir wahrscheinlich schnell weiter.“ Es entsteht der Eindruck, als ob Bonn versucht mit dem Finger auf andere zu zeigen, um von eigenen Problemen abzulenken.

Im August schon hatte der Kreisdezernent für Jugend, Soziales und Gesundheit, Hermann Allroggen, in der Lokalpresse Vorwürfe zum Drogentourismus in Richtung Bonn zurückweisen müssen. Auch der sozialpolitische Sprecher der SPD im Kreistag, Harald Eichner, empfindet die Kritik aus den Reihen der Bonner CDU als „unhaltbar und nicht stimmig“. Der Rhein-Sieg-Kreis intensiviere schon über Jahre hinweg sein eigenes Angebot und unterstütze finanziell verschiedene Träger wie das Diakonische Werk, die Caritas und den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). So werde den Menschen, die Probleme mit Sucht und Drogen haben, seit Jahren kreisweit eine für jeden zugängliche Beratung geboten.

„Die Bonner CDU muss ihre Hausaufgaben selber machen, und dabei kann auch zunächst mal niemand helfen“, meint der Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion, Peter-Ralf Müller. „Auch die anderen müssen ihren Teil machen. Der Rhein-Sieg-Kreis sollte weiterhin daran arbeiten, sein Angebot zu verbessern, für seine Bürger auch präventiv Vorsorge zu treffen und ihnen Beratungshilfe zu geben.“

Die Kreisgesundheitsbehörde sieht keinen Anlass, an ihrer Arbeit zu zweifeln, nahezu eine Million Euro werden alljährlich in die Drogenarbeit investiert. Die in Troisdorf installierte Anlaufstelle „Café Koko“ wird weiter ausgebaut, ein Konsumraum wir gerade eingerichtet, das sind Entwicklungen, die wie das Drogentelefon im Wesentlichen auf Initiativen der SPD Rhein-Sieg zurückgehen. Auch an der Oberen Sieg geht es bergauf. Dort gibt es in Kürze die erste, von Caritas und Diakonischem Werk gemeinsam getragene Beratungsstelle. Darüber hinaus bietet das Eitorfer Krankenhaus in Zusammenarbeit mit den Rheinischen Landeskliniken medizinische Hilfe für Suchtkranke und Abhängige an. Wo derzeit ambulant behandelt wird, soll im Idealfall einmal eine stationäre Abteilung aufgebaut werden, die dann psychiatrischen Patienten – aber eben auch Suchtkranken – zu Gute kommt.

Die Drohung des Bonner Polizeipräsidenten, Wolfgang Albers, Dealern und Junkies Aufenthaltsverbote für die Bundesstadt auszusprechen und von ihnen ein Zwangsgeld zu erheben, geht nach Einschätzung von Harald Eichner völlig am Problem vorbei. „Bonn muss schlicht und einfach damit leben, dass drogenabhängige Menschen, Suchtkranke, nicht dorthin gehen, wo das beste Behandlungs- oder Beratungsangebot ist, sondern dahin, wo sie insgesamt das bestmögliche Umfeld finden.“ Sie wollen anonym bleiben, im Kreise Mitbetroffener sein, leicht an Stoff oder Geld kommen. Sie wollen ein Stückchen auch am Leben teilhaben, da sein, wo ein bisschen was los ist. „Die werden Sie in aller Regel nie auf dem flachen Land irgendwo hinterm Weidezaun finden, sondern eigentlich immer da, wo Menschen vorbeigehen, wo Musik, wo Bewegung ist, wo sich was tut. Und das geschieht nun mal eher in Oberzentren wie der Stadt Bonn. Das muss auch ein Mann wie der Polizeipräsident wissen.“

Die Bonner Sozialdemokratin Barbara Ingenkamp ruft nun alle Beteiligten zur Vernunft auf. Es sei niemandem damit gedient, die Not der Suchtkranken als Thema für politische Auftritte und Schlagzeilen zu missbrauchen. Dass die Bonner mit ihrer Hilfe für Drogenabhängige heute vergleichsweise gut dastehen, sei außerdem zum Großteil Verdienst der von 1994 bis 1999 regierenden rotgrünen Mehrheit, die anfangs vieles „gegen heftigen konservativen Widerstand“ hatte durchsetzen müssen. Die gut abgestimmte Arbeit zwischen den Genossen in Siegburg und Bonn trage sehr zur Lösung der Probleme bei, versichert Peter-Ralf Müller, in dem Bereich müsse die Bonner CDU offensichtlich noch einiges dazulernen.