Wer jungen Leuten einfach politisches Desinteresse zuschreibe und dies auf eine allgemeine Null-Bock-Mentalität schiebe, sei auf dem Holzweg, warnt David Hassenforder aus Lohmar. Der 21-Jährige vertritt als Vorsitzender der Lohmarer Jusos und des Kreisverbandes der Rhein-Sieg-Jusos eine forsche, eigenständige Politik gegenüber seiner Mutterpartei. Wer Politik verändern möchte, müsse „seinen Hintern hochbringen“ und sich einmischen, meint der Jungpolitiker.
Herr Hassenforder, halten Sie die jungen Leute Ihrer Altersgruppe für politikverdrossen?
David Hassenforder: Wenn man Jugendliche fragt, ob sie sich für Politik interessieren, sagen die „Nein“. Die lehnen aber nicht grundsätzlich politisches Engagement ab, sondern Parteipolitik und Gremienarbeit. Da sind die „verdrossen“. Das Problem liegt also darin, dass man den Politikbegriff differenzierter sehen muss. Fragt man nämlich Jugendliche „Würdest du dich bei „amnesty international“ engagieren?“ oder „Wie findest du „Greenpeace?“, dann reden die ganz anders. Sie verstehen dieses Engagement aber kaum als Politik.
Wirkt da nicht auch eine gewisse Null-Bock-Mentalität bremsend?
Hassenforder: In jedem Fall kommt noch hinzu, dass Jugendliche sich heute nicht mehr fest binden wollen. Die wollen nicht irgendwo unterschreiben, Mitglied sein und sich dann einmal im Monat immer irgendwo treffen müssen. Die wollen konkret bei interessanten Projekten mitmachen, in der Kampagnenarbeit, wo sie zumindest die Möglichkeit haben, sich wieder ausklinken zu können.
Die Jusos in NRW sind im Vergleich zum Vorjahr um 500 Leute auf 21.000 Mitglieder geschrumpft. Worauf ist dieser Rückgang zurückzuführen?
Hassenforder: Das liegt nicht in erster Linie an den Jusos. Jusos sind ja erst mal alle SPD-Mitglieder bis 35. Wer über diese Altersgrenze kommt, wird nicht mehr zu Jusos gezählt. Dass nicht genug neue junge Leute eintreten, ist ein Bundestrend, ein allgemeines Problem der SPD auf Landes- und Bundesebene.
Wie lässt sich diese Entwicklung erklären? Ist das Enttäuschung über die Bundespolitik?
Hassenforder: Wir brauchen uns als Kommunalpolitiker den Schuh nicht anzuziehen, denn Kommunalpolitik ist in den Köpfen der Jugendlichen überhaupt nicht als solche verankert. Die wissen nichts mit Kommunalpolitik anzufangen. Auf die Mitgliederzahlen wirkt sich hauptsächlich die Bundespolitik aus. Bei Umfragen sind diejenigen im Alter bis Mitte zwanzig, die sich selber als „Mitte“ bis „links“ einsortieren, in der Mehrzahl. Vom Spektrum her müsste die SPD die also eigentlich gut auffangen können. Komischerweise werden die Grünen bundespolitisch als Reformmotor wahrgenommen, ihnen wird das Positive, alles Negative wird der SPD zugerechnet.
Gelingt es Ihnen, im Kreis Ihrer Alterskameraden politisches Interesse zu wecken?
Hassenforder: Wir haben uns ja gerade erst neu gegründet, nachdem die Juso-Arbeit im Kreis ein Jahr lang brach gelegen hat. Unser vordringliches Ziel ist, erst mal die Strukturen wieder neu zu beleben, die Arbeitsgemeinschaften in den einzelnen Ortsvereinen zu vernetzen, damit die vorhandenen Leute wieder eingebunden werden. Die, die bei den Jusos aktiv sind, die sind motiviert. Wir haben einen relativ festen Kern von Leuten, die mitarbeiten.
Gegenüber der „Mutterpartei“ vertreten Sie eine selbstbewusste, eigenständige Politik. Welche sind die Hauptziele Ihres politischen Engagements?
Hassenforder: Im Rhein-Sieg-Kreis haben wir drei Schwerpunkte festlegen können. Wir befassen uns mit sozialen Fragen und mit dem Themenbereich Schule und Ausbildung. Der gewichtigste Schwerpunkt ist der öffentliche Personen-Nahverkehr, ÖPNV. Wir schauen, wie Interessen vertreten werden, wenn es zum Beispiel darum geht, Nachtbus-Linien einzurichten. Wenn man’s mal polemisch ausdrücken möchte: Es kann nicht sein, dass zwischen elf und zwölf mittags in allen Städten drei, vier Buslinien fahren und nach Mitternacht kein einziger Bus mehr verfügbar ist. Da ist irgendwas im Ungleichgewicht, wenn die Interessen der Jugendlichen nicht so gut vertreten werden wie die Interessen von Senioren, die halt mittags in die Stadt zum Einkaufen fahren wollen.
Was ärgert Sie am meisten an der Politik des Rhein-Sieg-Kreises?
Hassenforder: Es ist ein allgemeines Problem der Parteien, dass junge Leute sich abgeschreckt fühlen durch diese eingefahrene Gremienarbeit. So eine Mitgliederversammlung oder Fraktionssitzung sind nicht gerade das, was sich junge Leute unter aktiver Politikgestaltung vorstellen. Wo vieles doch sehr festgefahren ist, was teilweise auch sein muss, wäre Erneuerungsbedarf. Da ist ein bisschen Umdenken gefragt, damit die Arbeit ansprechender gestaltet wird.
Welche Probleme müssen in unserer Region dringend angepackt werden?
Hassenforder: Also, aus Jugendsicht ist es in der Region sicher das Verkehrsproblem. Da lesen wir in der Zeitung von Tarifplanänderungen, die Jugendliche auf dem Land benachteiligen. Bei zwei ungleichen Verkehrsgesellschaften links und rechts des Rheins werden in den nächsten Jahren vor allem linksrheinische Strecken gestrichen. Junge Familien, die oft der Kinder wegen gerade in diese ländlichen Bezirke und kleinen Dörfer unseres großen Flächenkreises gezogen sind, werden verkehrstechnisch von den Zentren abgeschnitten.
Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass sich vor Ort und im Kreis etwas bewegen lässt?
Hassenforder: In Lohmar ja. Ich denke, es ist schon schwer auf Kreisebene konkret was zu bewegen. In einem so großen Gebiet, wo jede Kommune und jede Juso-AG ihre eigenen Themen und ihre eigenen Probleme hat, gibt es wenige Themen, bei denen man kreisweit Erfolge abliefern kann. Eine der Hauptaufgaben des Kreisverbandsvorstands ist es deshalb, die Juso-Arbeitsgemeinschaften vor Ort zu stärken und sie in ihren Projekten finanziell und durch Anwesenheit, also ideell, zu unterstützen. Ich denke, da lassen sich Erfolge absehen.
Natürlich hängt es bei den Juso-Arbeitsgemeinschaften auch immer davon ab, für wie wichtig der Ortsverein die Jusos hält. Es gibt durchaus Ortsvereine im Kreis, die halt die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen „AsF“ oder die AG „60 plus“ traditionell mehr fördern als die Jusos.
Was muss jemand tun, der bei Ihnen mitmischen möchte?
Hassenforder: Ja, der geht kurz auf die Homepages der Kreis-SPD, www.spd-rhein-sieg.de, oder der Lohmarer SPD, www.spd-lohmar.de, und schreibt im einfachsten Fall eine E-Mail an david.hassenforder@nullspd-lohmar.de. Den Rest erledigen wir.