Offener Brief an den Landrat zur Lage der schulischen Angebote im Rhein-Sieg-Kreis

Sehr geehrter Herr Landrat,

mit großer Verwunderung, ehrlicher Freude und einer gehörigen Portion Skepsis haben die Mitglieder der SPD-Kreistagsfraktion den scheinbaren und plötzlichen Sinneswandel der CDU im Rhein-Sieg-Kreis zum Thema Gesamtschule am Vorabend des Kreisschulausschusses am 05.02.2009 aufgenommen.

Erkenntnis überfällig: Bedarf für Gesamtschulen lange bekannt

Die Anerkennung eines seit Jahrzehnten gegeben Bedarfs an zusätzlichen Gesamtschulplätzen kommt spät. Generationen von Schülerinnen und Schülern mussten auf ein adäquates Schulangebot – zumindest mit Blick auf eine ausreichende Zahl an Gesamtschulplätzen – verzichten. Für sie kommt dies zu spät. Nachbarkommunen konnten die Bedarfe der Schülerinnen und Schüler im Rhein-Sieg-Kreis regelmäßig nicht decken. Die Ergebnisse sind bekannt. Hunderte von Ablehnungen an den drei Gesamtschulen im Rhein-Sieg-Kreis sprechen eine deutliche Sprache.

Initiativen der SPD Rhein-Sieg zurückgewiesen oder diskreditiert

Umso mehr bedauern wir, dass Initiativen der SPD-Kreistagsfraktion aus offensichtlich parteitaktischen Gründen bis hin zu ideologischem Kalkül seit vielen Jahren immer wieder seitens der CDU zurückgewiesen und abgelehnt wurden oder wegen Nichtzuständigkeit unbehandelt blieben.

Zuletzt wiesen Sie im Kreisausschuss am 19.01.2009 auf eine nicht gegebene Zuständigkeit des Rhein-Sieg-Kreises für die Errichtung von Gesamtschulen hin. Augenscheinlich – dem reinen Gesetzeswortlaut des Schulgesetzes folgend, den aktuellen Beschluss des Kölner Verwaltungsgerichts im Blick, mögen Sie Recht haben.

Die Kernfrage dreht sich jedoch an dieser Stelle eben nicht um eine gesetzliche Zuständigkeit. Ihre eigene CDU-Fraktion hat dies in ihrem Antrag am 04.02.2009 erkannt und genau so aufgenommen.
Die CDU-Fraktion hat Sie gebeten, den Forderungen der SPD zu folgen: Indem sie Sie – Zuständigkeitsfragen hin oder her – gebeten hat, mit den zunächst zuständigen Bürgermeistern der kreisangehörigen Kommunen das Thema „Gesamtschule“ zu erörtern. Ihrer Auffassung entgegen, über die Zuständigkeit als Argument hinwegsetzend.

Verantwortung darf nicht hinter Zuständigkeit zurückstehen

An vielen Stellen wurden Sie in der Vergangenheit auch ohne Kreistagsbeschlüsse und ohne genaue Zuständigkeitszuweisung nach Kreisordnung aktiv.
Ob es Briefe an Minister waren, die aus unserer Sicht unrichtige Entscheidung die Millionenerlöse der Bonn/Rhein-Sieg Beteiligungsgesellschaft in einen Minderheitenanteil der rhenag zu investieren oder zuletzt das Stützen des Kölner Oberbürgermeisters in der unglücklichen Debatte um die Privatisierung des Kölner Flughafens. Wir haben hierüber deutliche Diskurse ausgetragen.

An einer zentralen Stelle der gegebenen Verantwortung dürfen wir jedoch nicht zurückweichen. Wenn auf der einen Seite massive Verkehrsprojekte, Schienenanbindungen und weitere Standortfaktoren Thema sind, dann darf die Frage des Standortfaktors „Bildungslandschaft Rhein-Sieg“ nicht aus der Zuständigkeit des Landrats herausfallen. Hier gilt es eine Gesamtverantwortung für den Rhein-Sieg-Kreis zu erkennen und sich eben nicht hinter der eigenen Zuständigkeit zu verschanzen. Verantwortung weicht nicht der Zuständigkeit.

Der Rhein-Sieg-Kreis hat Bedarf für mehrere Gesamtschulen

Bereits 2005 hat die SPD Kreistagsfraktion nach jahrzehntelangen Forderungen örtlich konkret als Gesamtschulstandorte die obere Sieg (1), den Siebengebirgsraum (2), das linksrheinische Kreisgebiet (3) sowie insbesondere den Zentralbereich Sankt Augustin/Siegburg (4) benannt.
Damit sind vier Standorte denkbar, zeitlich lange bekannt. Viele Elterninitiativen, viel zivilgesellschaftliches Engagement und Hunderte von abgelehnten Schülern sind ein deutliches Indiz für den Bedarf eben mehrerer neuer Gesamtschulstandorte.

Wir fordern Sie daher auf, in dem einzuberufenden Schulausschuss für diese Standorte konkrete Szenarien zu entwickeln und gemeinsam mit den Bürgermeistern die gegebenen Teilbedarfe zu Gesamtbedarfszahlen für weiterführende Schulen zu ergänzen.
Es gilt, endlich die Bildungslandschaft des Rhein-Sieg-Kreises zu vervollständigen.

Kein Taktieren – ehrliches, aufrichtiges Bekenntnis

Es gilt auch, die Frage der Zukunft unserer Bildungslandschaft im Rhein-Sieg-Kreis aus der politischen Taktiererei herauszunehmen. Zugegeben, unsere Hoffnung geht dahin, dass die CDU Rhein-Sieg ihre neue Position ernst meint und über Wahltage hinaus vertritt. Allein die zeitliche Folge, die brüske Ablehnung im Kreisausschuss am 19.01.2009, die deutliche Ablehnung der Gesamtschule im Raum Siegburg/Sankt Augustin zuletzt noch am Tag des CDU-Antrags im Schulausschuss durch Jürgen Becker (CDU) in der Rhein-Sieg-Rundschau (!) und den Verweis auf die Landtagswahl 2010 etc. etc. pp. Das Handeln widerspricht den Worten.

Die Position der SPD Rhein-Sieg gilt seit Jahrzehnten und ist explizit nicht wahlkampfbedingt: Wir fordern die Errichtung weiterer Gesamtschulen im Rhein-Sieg-Kreis und nötigenfalls auch auf unkonventionellen Wege der Zweckverbände bis hin zur Kreisgesamtschullösung. Dies bekräftigen wir erneut.

Wir sagen Ihnen hiermit erneut die aufrichtige und umfassende Unterstützung der SPD im Rhein-Sieg-Kreis, der SPD Kreistagsfraktion zu. Wir erwarten im Sinne der Eltern und Hunderten von Schülern aufrichtige Zusammenarbeit, ehrliches Engagement und den Willen, das gemeinsame Ziel, die Bildungslandschaft im Rhein-Sieg-Kreis, zu vervollständigen.

Mit freundlichen Grüßen

Sebastian Hartmann, Fraktionsvorsitzenden
Achim Tüttenberg, MdL, Vizelandt
Dietmar Tendler, schulpolitischer Sprecher