
SPD-Frauen und drei Herren – aus dem Rhein-Sieg-Kreis hatten sich aufgemacht, das derzeit größte Braunkohle-Kraftwerk Deutschlands der RWE in Niederaußem zu besichtigen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Energie-Debatte ein mehr als lehrreicher Ausflug, der teils in die Vergangenheit der Energiegewinnung (fossiler Brennstoff) und teils in die Zukunft derselben verwies, da es sich bei dem neuesten und größten der Kraftblöcke um eine hoch effektive Verbrennungsanlage handelt. Während der dreistündigen Führung durch die BoA (Braunkohlen-optimierte Anlage) Niederaußem erfuhr die ASF auch eine Menge über das Rheinische Braunkohle-Revier, das nordwestlich von Köln quasi fast vor der Haustür liegt. Angetan mit Schutzhelmen, Sicherheitsschuhen und brillen ging es auf den Kilometer langen Industrieparcours. 55 Milliarden Tonnen Braunkohle ruhen in der rheinischen Erde, davon sind 35 Milliarden abbaufähig. Nur für 3,7 Milliarden Tonnen ist der Abbau überhaupt genehmigt. Pro Jahr werden 100 Millionen Tonnen abgebaut, davon rund 90% verstromt. Die restlichen 10% werden zu Briketts, Braunkohlenstaub und Koks verarbeitet.
RWE, einer der vier Energie-Giganten in Deutschland, verfügt im rheinischen Braunkohle-Abbaugebiet über vier große Kraftwerkstandorte: Weisweiler nahe Aachen umfasst 6 Kraftwerksblöcke, Frimmersdorf 10, Neurath 5 (hier entsteht das weltweit modernte Doppelblock-Braunkohlekraftwerk BoA 2&3)K und Niederaußem hat 9 Blöcke.
Die ältesten Blöcke von Niederaußem, 1963 errichtet, hatten bei der Braunkohle-Verbrennung nur einen Wirkungsgrad von 31%. Der große Rest konnte nicht für die Stromgewinnung genutzt werden. 1965-1971 entstanden MW (MegaWatt) Blöcke mit einem Wirkungsgrad zwischen 32 und 34 %. 1974 wurden mit den Blöcken Gustav und Heidi zwei 600 MW-Blöcke gebaut, die 37% der Braunkohle zur Stromgewinnung nutzen konnten. Der zurzeit modernste und effektivste Block wurde 2003 errichtet: Der ungeheuer mächtige, das Landschaftsbild prägende, 167 Meter hoher Koloss aus Beton mit Metall-Ummantelung, bringt schlappe 1000 MegaWatt auf die Beine. Sein Nutzungsgrad aus der Braunkohle-Verbrennung beträgt gegenwärtig 43%. Auch er ist ein BoA Block. Anstatt 1,3 Kg Braunkohle für eine Kilowatt-Stunde Strom (wie sein Ahn von 1963) verbraucht der Große heute nur noch 0,9 Kg pro Kilowatt-Stunde.
Dennoch fallen Schwefel und CO 2 an, was diese Technologie in die Vergangenheit verweist. RWE ist den Schritt gegangen, eine Rauchgasentschwefelungsanlage zu bauen, in der 99,7% des in der Braunkohle vorhandenen Schwefels aus der Umwelt zurück gehalten und als Gips weiter genutzt werden. Um in Zukunft den Wirkungsgrad weiter zu steigern und damit den Kohleeinsatz zu verringern, wurde der Besuchergruppe auch die neueste technische Entwicklung zur Trocknung der feuchten Braunkohle vorgestellt: Eine Wirbelstromtrocknung.
Das umweltschädliche CO 2 wird in einem Pilotprojekt aus dem Rauchgas ausgewaschen mit dem Ziel einer unterirdischen Speicherung. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt: Die Nutzung des Kohlenstoffs aus dem CO 2. Dazu wird an chemische Unternehmen reines CO 2 geliefert, die in aufwendigen chemischen Prozessen aus dem Gas zum Beispiel den marktgängigen Kunststoff Polyurethan herstellen.
Beeindruckt von der schieren Größe der Anlage in Niederaußem, der Fülle der Informationen, aber auch von der ungeheuren Hitze (gut 50 Grad Celsius) in den Räumen oberhalb der Verbrennung, traten ASF und Gäste bei kühlen 20 Grad Sommer-Außentemperatur ihren Heimweg an.