CDU-Schell reißt Populismus-Latte

„Im politischen Wettbewerb ist die Zuspitzung durchaus erlaubt, nicht aber, blanken Unsinn zu erzählen. Mit Aussagen zur Gemeindefinanzierung á la wenn der Kreis doch eine Großstadt wäre, reißt der Sankt Augustiner CDU-Fraktionschef Schell die Populismus-Latte. Das Land verteilt das Geld an die Kommunen nach objektiven, bewährten Kriterien, die den Bedarf wiedergeben. Entscheidend sind vor allem die Soziallasten im Vergleich zur Steuerkraft der Kommune“, stellen die Landtagsabgeordneten Achim Tüttenberg und Dirk Schlömer klar und erklären:

Wenn es den Rhein-Sieg-Kreis nicht gäbe und die Landeszuschüsse aller Kommunen und des Kreises – wie von Herrn Schell vorgeschlagen – der ‘Großstadt Rhein-Sieg‘ zur Verfügung ständen, würde diese 2016 insgesamt rund 230 Millionen Euro bekommen. Dann allerdings müsste man zu den Ausgaben aller 19 Kommunen auch die Ausgaben des Kreises von rund 650 Millionen Euro übernehmen. Ein Vergleich mit den von der Einwohnerzahl des Rhein-Sieg-Kreises (585.000) ähnlichen Städten Dortmund (580.000), Essen (573.000) und Düsseldorf (604.000) zeigt: Dortmund und Essen bekommen mit 570 Millionen, bzw. 510 Millionen Euro zwar mehr Geld, Düsseldorf aber bekommt 2016 ‘nur‘ 42 Millionen Euro vom Land. Muss zudem als finanzstarke Stadt 6,7 Millionen Euro in den Kommunal-Soli zahlen. Im Rhein-Sieg-Kreis zahlen vier Kommunen zusammen ‘nur‘ 0,85 Millionen Euro. „Mit welcher Stadt will Schell tauschen?“, fragen die Abgeordneten.

Einen weiteren Beleg dafür, dass nicht die Art der Gebietskörperschaft entscheidend ist, bringt der Vergleich mit dem Kreis Recklinghausen, mit 613.000 Einwohnern ein wenig größer als der Rhein-Sieg-Kreis. Dieser bekommt im nächsten Jahr mit rund 475 Millionen Euro mehr als doppelt so viel Zuschuss vom Land, wie der Rhein-Sieg-Kreis. Schlömer und Tüttenberg halten fest, dass dies nicht anstrengungslos passiert: „Die Bürgerinnen und Bürger dort, zahlen deutlich höhere Steuern. Im Rhein-Sieg-Kreis liegt der Grundsteuer B-Hebesatz 2015 im Schnitt bei 505. In Dortmund bei 650, Essen bei 670 und in den Städten und Gemeinden des Kreises Recklinghausen sogar im Schnitt bei 730. Und trotzdem sind Dortmund, Essen und die Städte und Gemeinden im Kreis Recklinghausen weitaus höher verschuldet als die Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis. Mit wem will Herr Schell tauschen?“

Warum das so ist, erklären Schlömer und Tüttenberg auch: Hauptfaktor der Landeszuweisung sind die Soziallasten, weil diese die kommunalen Haushalte am meisten belasten. Ein klassischer Indikator dafür ist die SGBII-Quote, also für wie viele Arbeitsuchende die Kommune Grundsicherung übernehmen muss. Bei uns liegt diese bei 7,9 Prozent, im Kreis Recklinghausen bei 14,5 Prozent und in den Ruhrgebietsstädten bei rund 18 Prozent. Auch bei vielen anderen Soziallasten- oder Wirtschaftsdaten sind die Werte des Rhein-Sieg-Kreises deutlich besser als von Dortmund, Essen oder dem Kreis Recklinghausen. Teilweise sogar besser als von Düsseldorf.

Unredlich ist es den Eindruck zu erwecken, dass Einwohner in Städten und kleineren Kommunen unterschiedlich viel wert sind. Ob die Gewichtung gerecht ist, nach der z.B. Köln pro Einwohner etwas mehr Zuschuss bekommt als eine kleine Kommune, ist schwer zu beurteilen. Mit vielen Einpendlern und der Vorhaltung spezifischer Infrastruktur, z.B. im kulturellen, sportlichen oder verkehrstechnischen Bereich, die auch dem Umland zur Verfügung steht, ist sie zumindest begründbar. Der Finanzbedarf pro Einwohner steigt mit der Einwohnerzahl einer Kommune. Das System wurde 1987 in einer Arbeitsgruppe aus sachverständigen Praktikern konzipiert und seitdem in mehreren Gutachten überprüft und in Urteilen, zuletzt vom nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshof am 6. Mai 2014, bestätigt. Ähnliche Gewichtungsfaktoren gibt es in fast allen anderen Flächenländern, auch in Bayern und Baden-Württemberg, mit teils größeren Spreizungen. Mit dem Flächenansatz und dem Demografiefaktor gibt es bei der Berechnung allerdings auch zwei Faktoren, die besonders ländlichen Flächengemeinden nützen.

„Um die Haushaltslagen in allen Kommunen gleichermaßen zu verbessern, helfen zwei Maßnahmen. Ihnen insgesamt mehr Geld zur Verfügung stellen. Das machen wir. Seit Regierungsübernahme ist der Topf um rund 2,8 Milliarden Euro gewachsen. Hinzu kommen Sonderleistungen für besonders stark verschuldete Kommunen. Oder sie von den Soziallasten zu befreien, was in Berlin dank SPD-Bundestagsfraktion Schritt für Schritt umgesetzt wird. Hier kann Schell helfen, indem er seinen CDU-Kollegen Druck macht, damit die Kommunen schneller entlastet werden“, schließen die SPD-Abgeordneten Schlömer und Tüttenberg.